Du bist Robinson

Lass uns eine Reise machen, eine Reise in Deinem Innern. Stell Dir vor, Du fliegst mit einem Raumschiff zu einem anderen Planeten. Dieser ist eine Art Paradise. Es sieht dort aus, wie auf der Erde, nur ist alles noch intakt und die Natur ist überall gesund. Du kommst an einen Platz, an dem für Dich wunderbar gesorgt ist. Alles ist da, Nahrung, ein Haus, viele Annehmlichkeiten. Es fehlt Dir an nichts. Du bist im Paradies.

Du bist ganz allein auf diesem Planeten. Es gibt niemand außer Dir. Niemand, der mit Dir redet oder etwas unternimmt. Auch keine Tiere, die Deine Kameraden sein könnten. Du bist vollkommen allein. Du kannst mit niemandem reden. Das, was Du siehst und erlebst, kannst Du mit niemandem teilen. Wie Robinson bist Du alleine auf einer Insel im Weltall. Im Gegensatz zu ihm musst Du jedoch nicht nach Nahrung suchen, alles ist in Hülle und Fülle um Dich herum. Wenn Dir etwas fehlt, brauchst Du es Dir nur vorzustellen und schon taucht es vor Dir auf. 

Doch Menschen oder Tiere kannst Du nicht erschaffen. Du bist vollkommen alleine und die einzigen Lebewesen um Dich herum sind Pflanzen. Allmählich beginnst Du Dich einsam zu fühlen. Du würdest so gerne mit jemandem reden, Dich mit ihm oder ihr austauschen, was Du erlebst. Also fängst Du eines Tages an, mit Dir selbst zu reden. Du tust so, als wärst Du zwei. Du denkst Dir zwei Personen aus und schlüpfst abwechselnd in die eine und dann wieder in die andere Rolle. 

Bald gewöhnst Du Dich an dieses Rollenspiel und Du hast immer mehr das Gefühl, dass Du wirklich zwei bist. Du vergisst allmählich, dass Du in Wirklichkeit nur einer bist. Ja, es gelingt Dir sogar mit Dir selbst zu streiten und zwar so sehr, dass Du selbst nicht mehr mit Dir redest. Jetzt bist Du zwei, die alleine sind. Am einen Morgen, bist Du die eine Person und am anderen die andere. Wieder beginnst Du Dich einsam zu fühlen und beschließt Dir erneut vorzustellen zwei zu sein. Jetzt bist Du schon vier, am einen Morgen zwei und anderen Morgen zwei andere. 

Die einen, die du bist, mögen die anderen beiden, die Du auch bist, überhaupt nicht. Darin sind sie sich einig. Gerne sprechen sie mit einander darüber, wie unmöglich die beiden anderen sind. Allmählich vergisst Du ganz die Schönheit um Dich herum. Du bist nur noch mit dem Streit und der Zwietracht beschäftigt. Einsam und alleine fühlst Du Dich schon lange nicht mehr. Du hast sogar vergessen, dass Du alles erschaffen kannst. So beginnst Du Dir selbst ständig Früchte zu klauen. Am einen Morgen häufst Du die Kokosnüsse auf der einen Seite der Bucht in der Du lebst an, am anderen Morgen auf der anderen. Während Du dies tust, redest Du mit Dir selbst und schimpfst über die beiden anderen, die Du auch bist, was Du jedoch verdrängt hast. 

Wie Du nun also wochenlang Deine Kokosnüsse von der einen Seite der Bucht zur anderen schleppst und inzwischen völlig davon überzeugt bist, dass immer mehr fehlen, wächst der Zorn in Dir immer mehr an. Du beschließt etwas dagegen zu tun. Eines Morgens, nachdem Du wieder alle Kokosnüsse auf Deine Seite der Bucht getragen hast, beschließt Du für die anderen beiden eine Falle zu bauen. Du buddelst mit Deinen bloßen Händen ein tiefes Loch in den Sand, bedeckst es mit Zweigen. 

Am nächsten Morgen, als Du die Kokosnüsse wieder auf Deine Seite tragen willst, fällst Du in dieses Loch hinein. Nun kannst Du die Augen wieder öffnen. Willkommen im ganz normalen Wahnsinn der Identifikation.