Relative und absolute Wirklichkeit

Wir leben in einer relativen Wirklichkeit, doch unsere wahre Natur ist die absolute Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist bedingungslos und die Ursache der relativen Wirklichkeit, die wir gerne mit der absoluten Wirklichkeit verwechseln. Wie kommt es zu dieser Verwechslung?

 

Vielleicht kannst Du Dich noch daran erinnern, als Du ein kleines Kind warst. Die Welt war ein Wunder und jeder Tag ein Abenteuer. Und Du erlebtest Dich vielleicht mitten drin, in diesem Abenteuer und gar nicht so getrennt davon. Du selbst warst Teil dieses Abenteuers. Ich erzähle Dir eine kleine Geschichte aus dieser Zeit in meinem Leben.

 

 

Mein Großvater nahm mich, als ich etwa 3 Jahre alt war, gerne mit auf seine Sonntagsspaziergänge. Einmal war es schon dunkel geworden und ich wunderte mich sehr über ein helles rundes Licht, welches uns am Himmel begleitete. Ich kann Licht eher als etwas statisches und nicht etwas, welches mit einem mit wanderte. So fragte ich meinem Großvater, was denn das für ein Licht dort oben sei und er erklärte mir, dass dies der Mond sei. Es war Vollmond. So machte ich, die Erfahrung, dass der Mond Nachts mit einem mit wandert und den Weg erhellt. 

 

Es war eine der vielen tausenden Erfahrungen, in denen ich meine Welt kennenlernte. Eine Welt, die meine Wirklichkeit wurde. Besonders durch diese frühen Erfahrungen entsteht in uns unsere persönliche Wirklichkeit. Das besondere in dieser Zeit ist, dass wir diese Erfahrungen kaum bewerten und fast mit ihnen verschmelzen, so intensiv erleben wir sie. Alles war bunter, lebendiger und größer. Alles hatte Eigenschaften, die nicht in Frage gestellt wurden, sondern angenommen wurden. Alles durfte so sein, wie es war, denn es musste nichts anderes sein, damit wir es akzeptierten. Es gab noch nicht die Idee, dass etwas nicht sein sollte oder durfte. Dadurch waren wir als kleine Kinder auch noch weniger getrennt, von dieser Welt und unserer Erfahrung von dieser Welt. Wir machten uns noch nicht soviel Gedanken darüber.

 

Wir waren der Mittelpunkt der Welt und die Welt tanzte um uns herum. Oft waren wir grundlos glücklich. Wir sagten Ja zum Leben und freuten uns an dieser Welt voller Wunder. Wir selbst waren eine Blume, ein Baum, eine Katze, eine Kuh. Wir waren nichts besseres oder schlechteres. Wir waren Teil eines großen Ganzen und fühlten uns nicht getrennt davon.

 

Die Zeit hatte eine unglaubliche Dimension. Ein Tag dauerte eine Ewigkeit. Die Jahreszeiten dauerten Äonen. Oft verschwanden wir in der Zeitlosigkeit und jeder Moment in sich war eine kleine Ewigkeit. Wir wussten, wer wir sind. Wir waren einfach nur da. Wir kamen aus dem Nichts, angefüllt mit Lebensfreude und Abenteuerlust. Es gab fast kein Vorher und kein Nachher. Es gab vorallem das Jetzt, die Gegenwart. Vergangenheit gab es kaum und Zukunft war nicht vorstellbar. Irgendwie waren wir die ganze Welt. Wir waren in einer fast absoluten Wirklichkeit.  Wir waren erleuchtet.

 

Können wir in diesen Zustand zurückkehren. Wohl kaum, denn inzwischen ist unser Gehirn zu einer Denkmaschine geworden, die zu allem, was wir erleben eine vorgefasste Meinung haben muss. Zu jeder Wahrnehmung gibt es begleitendende Gedanken, die eine Beurteilung abgeben. Wir genießen nicht mehr das Sosein der Dinge um uns, sondern setzen sie in Beziehung und fragen uns sehr schnell, bewusst oder unbewusst, ob sie uns schaden oder nützen können. Wir relativieren die Wirklichkeit, setzen sie in Beziehung. Und wir trennen uns. Die Blume am Wegrand ist nicht mehr ein Teil von uns oder mit uns verwandt. Sie hat nicht mehr die Bedeutung der Kindheit, in der wir sie noch als ein Wunder erlebten. Sie ist im Vergleich zu uns unbedeutend geworden.  In der Regel beachten wir sie kaum noch. Noch weniger beachten wir die unscheinbaren Pflanzen auf unserem Weg. Solche, deren Blüten ganz klein sind. 

 

Wir haben einfach vergessen, dass wir Verwandte sind. Wir haben vergessen, dass wir Brüder und Schwestern sind mit den Pflanzen und Tieren. Aber wir haben noch viel mehr vergessen. Wir haben auch vergessen, dass wir aus der absoluten Wirklichkeit stammen. Wir haben vergessen, dass wir selbst diese absolute Wirklichkeit sind, aus der alle relativen Wirklichkeiten geboren wurden. Indem wir uns einen Körper nahmen, vergaßen wir, dass wir körperlos sind. Indem wir uns eine Seele nahmen, vergaßen wir, dass wir nicht nur Seele sind. Indem wir unseren Geist erfuhren, vergaßen wir, dass wir der Schöpfer unseres Geistes sind. 

 

Das was wir sind, kann in Worten nicht ausgedrückt werden, denn wir sind die Ursache der Worte. Das was wir sind, kann nicht auf eine Form beschränkt werden, denn wir sind die Ursache der Formen. Über das, was wir sind, kann nicht nachgedacht werden, denn wir sind die Ursache aller Gedanken. 

 

Wir sind absolute, ewige Stille, angefüllt mit allem was in der relativen Wirklichkeit existiert. Wir sind die absolute Wirklichkeit ohne Anfang und Ende.